Alle Jahre wieder wird die Frage gestellt, welches Digitalsystem man sich den
zulegen soll und ob dieses oder jenes System gut sei.
Häufig endet das nach unzähligen "ich habe xy und bin voll zufrieden damit" mit
"Glaubenkriegen", ohne wirklich jemals darauf einzugehen, was ein Digitalsystem
eigentlich können sollte.
Zufriedenheitsbekundungen sind für den Fragesteller eben so hilfreich, wie
Aussagen über das beste Auto, oder den besten Computer - beides gibt es ebenso
wenig, wie das beste Digitalsystem - es kommt immer auf die Anforderung an.
Allerdings sollte man doch auf einige Grundfunktionen achten, die ein
Digitalsystem haben sollte!
Als Erstes sollte man sich im Klaren sein, was man denn genau mit einem
Digitalsystem machen will! Nicht nur unmittelbar, sondern auch in vielleicht
fernerer Zukunft! Nicht jedes teure Digitalsystem bringt auch die Leistung, die
man sich erwarten würde. Ebenso ist ein billiger Einstieg nach dem Motte "ich
will jetzt ja nur fahren und kann ja später aufrüsten" unterm Strich wesentlich
teurer, als wenn man sich gleich ein ordentliches Digitalsystem zulegt!
Der "gemeine Modellbahner" übersieht leider einige grundlegende Dinge, die
ihm ja beim Analogbetrieb nie wirklich aufgefallen sind. Oft wird auch ein
Digitalsystem nur als Mehrzugsteuerung auf digitaler Basis gesehen - nur DAS hat
mit "digital" im Grunde nichts zu tun!
Beschränkte Möglichkeiten suggerieren dem Endanwender, dass er ja dies oder
jenes alles nicht braucht ... Klar, waren in den Anfangsjahren vier Funktionen
mehr als man sich jemals vorstellen konnte. Damals konnten die Loks gerade
einmal das Licht an- und ausschalten. Später kam noch eine ferngesteuerte
Kupplung dazu. Das hat sich im Grunde bis heute kaum geändert.
Durch Sounddecoder ist man in der letzten Zeit dazu übergegangen mehr
Funktionen zu belegen (Motor starten/abstellen, Glocke, unterschiedliche Pfiffe
und Hörner, Ansagen etc.).
Einzelne Modelle (meist aus Kleinserien) bieten zudem noch Sonderfunktionen
wie div. Lichteffekte (speziell bei US und Schweizer Modellen), oder
Panthographensteuerung.
Einige Großserienhersteller jedoch beginnen nun auch langsam ihre Modelle mit
mehr Funktionen auszustatten.
Waren also früher vier bis acht Funktionen ausreichend, bewegen wir uns heute
bei 20 bis 28 Funktionen!
Eine wichtige Sache beim Digitalbetrieb ist in jedem Fall eine stabile und
einstellbare Ausgangsspannung!
Ein Fakt, der gerne bei billigen Systemen außer acht gelassen wird und nur
all zu oft dazu führt, dass Decoder aus scheinbar unerklärlichen Gründen
abrauchen. Grund ist fast immer ein plötzlicher Anstieg der Spannung über den
zulässigen Wert - dieser beträgt lt. NMRA 24 Volt. Viele Decoder verkraften dann
ohnehin 28Volt - was leider immer noch zu wenig ist, wenn die Schienenspannung
Spitzen bis zu 50 Volt aufweist!
Mindestens ebenso wichtig ist eine gute und zuverlässige
Kurzschlusserkennung. Damit ist nicht nur die Erkennung eines vollständigen
Kurzschlusses gemeint, sondern auch der unverhältnismäßig plötzliche Anstieg von
Strom gemeint!
Denn viele Zentralen erkennen einen Kurzschluss nur dann, wenn der Strom die
Gesamtausgangsleistung übersteigt, was in vielen Fällen dazu führt, dass z.b.
Kontaktschleifer ausglühen oder Drähte durchschmoren etc.
Dies wird unter anderen auch damit begünstigt, dass man die Zuleitungen von
der Zentrale zum Gleis zu dünn bemisst und somit einen relativ hohen
Leitungswiderstand erzeugt, der bei vielen Zentralen die Kurzschlusserkennung
aushebelt.
Das heißt also, entweder die Zentrale kann die Spannung und Strom stabil
halten, oder man muss selbst, mit z.b. einem entsprechendem Netzteil dafür
sorgen. Spielzeugtrafos, wie sie fast immer in diversen Anfangspackungen zu
finden sind, sind dafür gänzlich ungeeignet!
Kann die Zentrale das also nicht (weil sie ja so günstig war), muss man sich
dann eben ein entsprechendes Netzteil besorgen - das ist aber dann schon wieder
relativ teuer - und unterm Strich hätte man sich gleich eine ordentliche
Zentrale kaufen können!
Wichtig ist es auch, dass die Zentrale von Anfang an genug Leistung zur
Verfügung stellen kann, sonst wird man bald mit einem Booster aufrüsten müssen
(und natürlich einem weiteren Netzteil) - spätestens jetzt wird man erkennen,
dass die anfangs so günstige Digitalzentrale inzwischen richtig Geld kostet ...
Ein ordentliches System hätte auch nicht mehr gekostet, könnte aber jetzt mehr
(denn außer der Leistung wurde beim Aufrüsten ja nichts mehr oder besser ...)
Wie also schon eingangs erwähnt ist es wichtig sich VOR dem Kauf eines
Digitalsystems darüber im Klaren zu sein, was man will!
Als N-Bahner werde ich sicher andere Wünsche haben, als ein Gartenbahner!
Kommt der Eine mit 2-5 Ampere Leistung und maximal 8Funktionen problemlos
aus, wird der Andere mindestens 10A benötigen und mit 20 Funktionen gerade so das
Auslangen haben. Wichtig ist auch, ob man seine Anlage nur manuell steuern will,
oder sie mit automatischen Betriebsabläufen aufpeppen mag. Vielleicht ist ein
computergestütztes Gleisbildstellpult gewünscht?
Will ich meine Decoder wie sie von Werk aus konfiguriert sind einsetzen, oder
will ich selbst Hand anlegen? Wie tief will ich in die Materie eindringen - was
will ich alles erreichen? Will ich zb. auch selbst Sounds vom Original aufnehmen
und in meine Loks verpflanzen?
Alles Fragen, die man sich vorher stellen und danach sein System auswählen
sollte!
Da Digitalsysteme nun möglichst universell einsetzbar sein müssen, werden
gute Systeme sicher immer mehr bieten, als man im Moment vielleicht benötigt -
das ist auch gut so, denn wer weis heute schon, was er in zb. drei Jahren haben
wird wollen?!
Gute Systeme sind auch immer selbst updatebar, ohne sie dabei an den
Hersteller senden zu müssen! So kann man weitgehenst immer am aktuellen Stand
bleiben (Systemwechsel einmal ausgenommen).
Was sollte ein gutes Digitalsystem jetzt also können?
Die Zentrale sollte mindestens 10A bei einer einstellbaren und stabilisierten
Ausgangspannung von 10 bis 24 Volt bringen können.
Damit wären dann von Z bis II alle Baugrößen abgedeckt!
Die Kurzschlusserkennung muss unbedingt neben echten Kurzschlüssen auch
das plötzliche Ansteigen des Stroms erkennen und in Millisekunden abschalten. Damit
auch Z-Bahner keine verschmorten Modelle befürchten müssen!
14 Funktionen sind die unterste Grenze für ein Digitalsystem - Standard sind
heute 20/28 Funktionen!
Bei DCC sollte zudem auch Railcom möglich sein. Auch wenn es derzeit noch
nicht viel Anwendungen damit gibt und es wegen Lizenzfragen zu Streitigkeiten
bei Railcom/Railcom plus kommt (manche Hersteller springen offenbar vom "Railcomzug"
wieder ab), man sollte sich eine Zukunft mit Rialcom nicht verbauen!
Kaum erwähnenswert sollte eigentlich sein, dass ein Digitalsystem die nach
NMRA definierten 1024 CVs mit Werten bis 255 lesen und schreiben können muss und
zwar auch mittel PoM (Programming on the Main - also während des Betriebs, ohne
das Fahrzeug extra dafür auf ein Programmiergleis zu stellen)!
Die Zentrale sollte eine direkte Verbindung zu einem Computer haben - mittels
USB und/oder LAN/WLAN.
Ferner sollte es die Möglichkeit geben auch kabellose Handregler zuverlässig
über wenigsten 100 Meter anzusprechen (auch durch Wände) . das ist vor allem für
Gartenbahner wichtig! Und zwar nicht nur der Fahrbetrieb, sonder auch die
Programmierung der Decoder im Betrieb.
Die Bildung von Doppel-/Mehrfachtraktionen muss in der Zentrale erfolgen
können (obwohl sie auch Consistadressen des Decoder ansprechen können muss) und
zwar mehrere pro Handregler und ohne Zeitverzögerung.
Der Handregler sollte mit einer Hand bedienbar sein und alle wichtigen
Bedienelemente ohne Umschalterei zugängig haben. Auch die Anzeige muss für
ältere Menschen gut lesbar sein - auch bei direkter Sonneneinstrahlung.
Bei Funkhandreglern sollte die Batterieleistung doch bis mindestens 8 Stunden
am Stück reichen.
Schön wäre es auch, wenn der verwendet Bus möglichst universell wäre, sodass
Handregler unterschiedlicher Hersteller angeschlossen werden können (man muss
sich zwar im Klaren sein, dass dann vermutlich nicht mit jedem Handregler die
vollen Features abrufbar sein werden, dass ist aber auch nicht unbedingt nötig -
oft will man ja eh nur eine Lok steuern ...)
Ein Decoder muss in jedem Fall eine möglichst große Spannungsbandbreite
haben, damit er auch von "Schweinezentralen" nicht in die ewigen Jagdgründe
gesendet werden kann!
Er sollte mindestens NMRA konform sein (also auch das NMRA Funktionmapping
aufweisen) - alles was er darüber hinaus kann, wertet ihn nur auf.
Er sollte auch Railcomfähig sein.
Schön wäre es auch, wenn er in der Konfiguration wirklich "programmiert"
werden kann - wenn man also selbst Abhängigkeiten von Funktionen und Events mit
Ausgängen verknüpfen könnte.
Zentrale und/oder Decoder sollten auch Betriebsabläufe (zb. Pendelzug o.ä.)
aufzeichnen und beliebig abspielen können.
Decoder müssen Überspannungsfest und Kurzschlussfest sein.
Bei der Bedienung/Konfiguration ist Klartext CVs vorzuziehen - am Besten
direkt in der Zentrale/Handregler, ohne PC.
Ein Decoder muss auch "pufferfähig" sein. Er sollte also einen direkten
Anschluss für Puffer- Elkos/GoldCaps/Akkus haben.
Es wird jetzt sicher einige Systeme geben, die weit weg von den erwähnten
Funktionen sind. Vermutlich wird es auch derzeit kein System geben, dass alle
Funktionen in sich vereint - aber je näher dran man ist, desto besser!
Ich vergleiche nun absichtlich keine Systeme miteinander - das habe ich vor
einigen Jahren getan ... In der Zwischenzeit gibt es den einen oder anderen
Hersteller nicht mehr, Funktionen wurden überarbeitet usw. Eines hat sich jedoch
nicht geändert: Ein gutes Digitalsystem ist keinesfalls teurer, als ein ach so
günstiger Einstieg, bei dem man nach allerlei Upgrades meist sogar preislich
höher weg kommt und dabei aber leistungsmäßig geringer bleibt.
Nach all der Theorie bleiben derzeit im Grunde nur
einige Hersteller über, die den oben Genannten entsprechen und am europäischen
Markt auch verfügbar sind:
Wobei ZIMO per Juli 2011 über kein aktuelles Digitalsystem verfügt! Das
MX1/MX31 gibt es nicht mehr, die Nachfolgemodelle - bis auf das MX32 (und das
ist auch noch mehr oder weniger "in Entwicklung") - noch nicht ...
Natürlich gibt es weit mehr Hersteller, deren Zentralen haben aber zb. nur
maximal 3A, oder keinen eigenen Funkhandrelger, oder sie hätten die Leistung und
viele Features, sind aber nur via Direktimport aus der USA zu bekommen, usw.
Abschließend: Als Zweitsystem kann ein billiges Digitalsystem, das eben nur
Loks steuern kann durchaus angebracht sein - man hat dann ja ohnehin ein
ordentliches System mit dem man alles machen kann ... nur sollte man nie den
Fehler begehen, ein billiges System für den Einstieg zu wählen, dass man dann um
viel Geld nach und nach aufrüstet, ohne dabei aber wirklich mehr Leistung zu
erhalten!
Daher erstellt man sich als Erstes am Besten ein "Pflichtenheft", in dem man alle
erdenklichen Features und Wünsche, die das zukünftige System können soll, einträgt.
Dann geht man im Internet auf Systemvergleichsuche. Sucht sich also die Featureliste der
jeweiligen Hersteller und hakt vorhandenes ab.
Oft wird man nur mit zusätzlichen Modulen zum Ziel kommen (zb. beim PC-Interface).
Man wird sicher schnell feststellen, dass egal von welchem Hersteller, ein Digitalsystem
mit gleicher Leistung auch in etwas das Gleiche kostet ...
Nachtrag mit Mai 2011:
In vielen Foren wird neben der Frage, welches Digitalsystem man nehmen soll,
auch immer wieder nach dem "richtigen" Decoder gefragt.
Den gibt es ebenso wenig wie das "richtige" Digitalsystem. Auch hier wird man
sich meist für den entscheiden, der seinen Anforderungen am Ehesten entspricht
und den man leicht bekommen kann.
Je nachdem, welches Digitalprotokoll man fährt, wird auch dies die
Decoderwahl beeinflussen. Wer Märklin MFX fährt ist wesentlich eingeschränkter
in der Wahl, als DCC-Fahrer.
Die Frage nach dem "richtigen" Decoder kann sich also nur auf dessen Größe
(abhängig vom Platz im Modell), auf das Vorhandensein einer Schnittstelle (auch
abhängig vom Modell), bzw. auf Spezialformen für bestimmte Modelle (speziell bei
US-Modellen gibt es einige Hersteller, die ihre Decoder, wie die Analogplatine
formen, womit der Austausch noch einfacher sein soll - es spricht dennoch nichts
gegen einen "normalen" Decoder - ist doch auch meist eine Schnittstelle
vorhanden) beziehen.
Einige Mindestanforderungen, die ein Decoder aufweisen soll, wurden weiter
oben schon angegeben. Zu:
- NMRA konform
- Railcomfähig
- Spannungsfest (mindestens 28 Volt bei Gartenbahnen)
- Pufferfähig
kommt noch hinzu:
Eine gut funktionierende Lastregelung, die auch umfangreich
konfiguriert werden kann. Optimal ist hier z.b die Regelung nach Fahrstufe
stärker oder schwächer einstellen zu können (je langsamer, desto höher die
Regelung, je schneller, desto weniger Regelung).
Es ist überhaupt vorteilhaft, wenn ein Decoder möglichst umfangreich
konfiguriert werden *kann* (damit ist nicht gemeint, ihn umfangreich
konfigurieren zu müssen, um ihn nutzen zu können, aber ihn im Bedarf
entsprechend konfigurieren zu können!).
Ein guter Decoder sollte selbst updatefähig sein. Wer will schon bei
einer neue Decoderfirmware, die neue Features bereit stellt, oder Fehler
beseitigt, jedes Mal das Ding zum Hersteller senden (oder schlimmer mit dem
Fehler leben müssen, oder sich einen neuen Decoder kaufen)?
Bei der Anzahl der zur Verfügung stehenden Funktionsausgänge (FA),
sind die Digitalisten meist auch unterschiedlicher Meinung.
Als absolutes Minimum sind zwei Funktionsausgänge (für Licht von/hinten) zu
sehen. Derartige Decoder sind oft in ab Werk digitalisierte Fahrzeuge verbaut
(diese Decoder habe auch oft nur eine(n) eingeschränkten Funktionsumfang und
Konfigurationsmöglichkeit). In der Regel haben heute Decoder aber 4-6
Funktionsausgänge (also: Licht vorn/hinten und dann noch 2-4 weitere FAs).
Decoder für gehobene Ansprüche weisen auch in H0 bis zu 10 Funktionsausgänge auf
- im Gartenbahnbereich bis zu 16 FAs - und Servoausgänge, Schalteingänge, SUSI
etc..
Soundkombidecoder haben unabhängig der Anzahl von Funktionsausgängen, mit
denen Verbraucher geschaltet werden, bis zu 28 Funktionen (um eben diverse
Soundeffekt abrufen zu können) - dazu ist es dann wieder wichtig, dass die
Zentrale das auch unterstützt (siehe oben)!
Gerade bei Decoder wird man vermutlich nicht gleich auf Anhieb "seinen"
Decoder finden. Oft wird man eine Weile experimentieren, bis man sich für einen
oder zwei Decoderhersteller entscheidet. Ich empfehle in jedem Fall sich auf nur
wenige Hersteller zu beschränken - schon aus dem Grund, um nicht alle
Betriebsanleitungen zu allen Decodern kennen zu müssen - ist die Kenntniss nur
einer Betriebsanleitung oft schon schwer genug ...
Auf jeden Fall darf man nicht vor Experimente zurückschrecken! Wer möglichst
alle machbaren Features einer Digitalsteuerung nutzen will, muss auch Willens
sein, sich tief in die Materie einzuarbeiten. Und man darf auch keine Angst
haben, wenn einmal etwas schief geht, oder man etwas zerstört - nur so kann man
lernen und seine eigenen Erfahrungen sammeln!
Noch ein paar Worte zum Schluss:
Bitte liebe Digitalisten, trennt Euch von der Ansicht, es soll alles möglichst
günstig sein. Wer der Meinung ist, er hätte ja jetzt schon sooo viel für sein
Lokmodell ausgegeben, jetzt darf der Decoder, bzw. das ganze Digitalsystem nur
ein paar Euro kosten (wir kaufen das Billigste aus Ebay und das ist noch zu
teuer), sollte besser die Finger davon lassen und analog fahren!
Ein gutes Digitalsystem hat seinen Preis. Digital ist auch nicht so einfach -
es ist ein gewisses Maß an Wissen und der Willen sich dieses anzueignen nötig.
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